BGH III ZR 56/11 (U. v. 1. Dezember 2011), Rn. 17 u.a.: Für den Anlageberater gelten nicht dieselben Maßstäbe wie für die Anlagegesellschaft (Emittentin), die in eigener Verantwortung die rechtliche Einstufung ihrer Geschäftstätigkeit umfassend und unter Inanspruchnahme aller zu Gebote stehenden Erkenntnismöglichkeiten zu prüfen und um die Erteilung etwaiger erforderlicher Genehmigungen oder Erlaubnisse nachzusuchen hat bzw. die rechtliche Bewertung der zuständigen Genehmigungs- oder Aufsichtsbehörde abfragen kann („Negativattest“).
Umfang und Art der Hinweis- und Ermittlungspflichten des Anlageberaters bestimmen sich nach den Umständen des jeweiligen Einzelfalls. Dabei kommt es insbesondere darauf an, wie der Anlageberater gegenüber dem Anlageinteressenten auftritt und ob und inwieweit dieser die berechtigte Erwartung hegt, über bestimmte Umstände informiert zu werden. Zu solchen Umständen zählen grundsätzlich zwar auch Gesetzesänderungen, sofern sie für die empfohlene Kapitalanlage erhebliche Auswirkungen haben können. Anders als die Anlagegesellschaft muss der Anlageberater aber nicht ohne besondere Anhaltspunkte infolge einer Gesetzesänderung auftretenden schwierigen und ungeklärten Rechtsfragen nachgehen, die er regelmäßig nur unter Inanspruchnahme sachkundiger Hilfe (Rechtsgutachten) abklären könnte.
Zwar ist der Anlageberater zur mehr als „nur“ eine Plausibilitätsprüfung des Produkts verpflichtet. Er muss eine Anlage, die er empfehlen will, mit üblichem kritischem Sachverstand prüfen oder den Anlageinteressenten auf ein diesbezügliches Unterlassen hinweisen.
Ein Berater, der sich in Bezug auf eine bestimmte Anlageentscheidung als kompetent geriert, hat sich dabei grundsätzlich auch aktuelle Informationen über das Objekt, das er empfehlen will, zu verschaffen. Dazu gehört die Auswertung vorhandener Veröffentlichungen in der Wirtschaftspresse (vgl. z.B. Senatsurteile vom 5. März 2009 – III ZR 302/07, WM 2009, 688, 690 Rn. 13 ff; vom 5. November 2009 – III ZR 302/08, WM 2009, 2360, 2362 Rn. 16, 18 und vom 16. September 2010 – III ZR 14/10, NZG 2010, 1272, 1273 Rn. 10).
Hat er jedoch in der einschlägigen Wirtschaftspresse nichts Entsprechendes entnommen – z.B. dass ein bestimmtes Anlagemodell nicht mit dem KWG vereinbar sei –, so besteht ohne besondere Veran- lassung des Anlageberaters auch keine entsprechende Aufklärungsverpflichtung, an deren (vermeintliche) Verletzung sich ein Schadenersatzanspruch knüpfen ließe.