BGH I ZR 28/06, U. v. 26. Februar 2009: Versicherungsvertreter als selbständige Handelsvertreter, selbständige Untervertreter oder angestellte Handelsvertreter machen sich nach § 17 Abs. 2 UWG strafbar, wenn sie nach Beendigung des Handelsvertreterverhältnisses Kundendaten verwenden, die ein Geschäftsgeheimnis des früheren Dienstherrn (Vertragspartner des Handelsvertretervertrages) darstellen. Dies gilt auch dann, wenn der Versicherungsvertreter während des Bestehens des Handelsvertreterverhältnisses die Kunden selbst geworben hat. § 90 HGB und § 667 BGB sind zu beachten. Die Kundendaten können ein Geschäftsgeheimnis darstellen, wenn sie Kunden betreffen, zu denen bereits eine Geschäftsbeziehung besteht und die daher auch in Zukunft als Abnehmer der angebotenen Produkte in Frage kommen. Dabei darf es sich nicht lediglich um Angaben handeln, die jederzeit ohne großen Aufwand aus allgemein zugänglichen Quellen erstellt werden können (vgl. BGH, U.
v. 27.4.2006 – I ZR 126/03, GRUR 2006, 1044 Tz. 19 = WRP 2006, 1511 – Kundendatenprogramm).
Im zugrunde liegenden Fall ging es um einen selbständigen Versicherungsmakler als Untervertreter, der über die Agentur seines Vaters bei der Vertragspartnerin der Agentur Versicherungsverträge von selbst angeworbenen Kunden eingereicht hat. Nach Kündigung des Generalagenturverhältnisses schrieb der Versicherungsmakler die in der Vergangenheit von ihm betreuten Kunden der Agentur seinen Vaters an (450) mit dem Ziel, neue Versicherungsverträge zu vermitteln.
Dass er die Kunden selbst geworben hat, half ihm nicht; seine Handlung war unzulässig. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist für eine Abwägung mit einem Verwertungsinteresse des Handelsvertreters im Rahmen des § 90 HGB schon von vornherein kein Raum. Vielmehr ist der Handelsvertreter nach § 667 BGB, der auf die Rechtsbeziehungen zwischen Unternehmer und Handelsvertreter als einem Auftragsverhältnis ergänzend anzuwenden ist, verpflichtet, nach Beendigung des Vertragsverhältnisses alle Kundenanschriften an den Unternehmer herauszugeben. Die Herausgabepflicht bezieht sich auf alles, was der Handelsvertreter aus der Tätigkeit für den Unternehmer erlangt; sie umfasst demnach auch die Daten solcher Kunden, die der Handelsvertreter selbst geworben hat (vgl. BGH, U. v. 28.1.1993 – I ZR 294/90, NJW 1993, 1786, 1787; U. v. 10.5.1995 – VIII ZR 144/94, NJW-RR 1995, 1243 f.). Der Umstand, dass der Versicherungsvertreter schon während der Zeit seiner Tätigkeit für die Agentur seines Vaters Kenntnis von den Kundendaten erlangt hat, schließt nicht aus, dass er sich das in diesen Daten verkörperte Geschäftsgeheimnis der Klägerin unbefugt verschafft hat i.S.v. § 17 Abs. 2 Ziff. 2 UWG. Ein ausgeschiedener Mitarbeiter darf zwar die während der Beschäftigungszeit erworbenen Kenntnisse auch später unbeschränkt verwenden, wenn er keinem Wettbewerbsverbot unterliegt (vgl. BGHZ 38, 391, 396 – Industrieböden; BGH, U. v. 3.5.2001 – I ZR 153/99, GRUR 2002, 91, 92 = WRP 2001, 1174 – Spritzgießwerkzeuge). Dies gilt allerdings nur für Informationen, die er in seinem Gedächtnis bewahrt (BGH, U. v. 14.1.1999 – I ZR 2/97, GRUR 1999, 934, 935 = WRP 1999, 912 – Weinberater) oder auf die er aufgrund anderer Quellen zugreifen kann, zu denen er befugtermaßen Zugang hat. Die Berechtigung, erworbene Kenntnisse nach Beendigung des Dienstverhältnisses auch zum Nachteil des früheren Dienstherrn einzusetzen, bezieht sich dagegen nicht auf Informationen, die dem ausgeschiedenen Mitarbeiter nur deswegen noch bekannt sind, weil er auf schriftliche Unterlagen zurückgreifen kann, die er während der Beschäftigungszeit angefertigt hat (BGH, Urt. v. 19.12.2002 – I ZR 119/00, GRUR 2003, 453, 454 = WRP 2003, 642 – Verwertung von Kundenlisten). Liegen dem ausgeschiedenen Mitarbeiter derartige schriftliche Unterlagen – beispielsweise in Form privater Aufzeichnungen oder in Form einer auf dem privaten Notebook abgespeicherten Datei – vor und entnimmt er ihnen ein Geschäftsgeheimnis seines früheren Arbeitgebers, verschafft er sich damit dieses Geschäftsgeheimnis unbefugt i.S.v. § 17 Abs. 2 Nr. 2 UWG (BGH GRUR 2006, 1004 Tz. 14 – Kundendatenprogramm, m.w.N.).