Der Bundesgerichtshof hat am 29.04.2014 in zwei Verfahren (XI ZR 477/12 und XI ZR 130/13) entschieden, dass eine Bank, die den Erwerb von Anteilen an einem offenen Immobilienfonds empfiehlt, den Anleger ungefragt über das Risiko des Bestehens der Möglichkeit einer Aussetzung der Anteilsrücknahme durch die Fondsgesellschaft aufklären muss.
Viele Banken haben vorwiegend sicherheitsorientierten Anlegern dazu geraten, Anteile an einem offenen Immobilienfonds zu erwerben. Hierbei wurde oft erklärt, dass offene Immobilienfonds eine gute Alternative zum Tagesgeldkonto darstellen, das eingesetzte Kapital sehr sicher sei und jederzeit verfügbar, da der Anleger die Anteile bei Bedarf jederzeit verkaufen könne.
Seit dem Jahr 2008 und daher der Finanzkrise wollten viele Anleger ihre Beteiligungen auflösen, was infolge der Investitionen in Immobilien jedoch nicht möglich war. Offene Fonds, die in illiquide Werte investieren können diese nicht sofort wieder veräußern, so dass schon die Konzeption als offener Immobilienfonds fragwürdig ist. Es wurden etliche offene Immobilienfonds geschlossen und befinden sich seitdem in der Abwicklung (z.B. Santander Vermögensverwaltungsfonds Kapitalprotekt P (vormals SEB Kapitalprotekt), DWS Dachfonds ImmoFlex Vermögensmandat, Allianz Premium Management Immobilien, AXA Immoselect, DEGI Europa, DEGI Global Business, DEGI International, DJE Real Estate, KanAm Grundinvest, KanAm US Grundinvest, Morgan Stanley P2 Value, UniImmo Global,TMW Immobilien Weltfonds).
Für die Anleger bedeutet die Schließung ihres Fonds, dass keine Kauf- oder Verkaufsaufträge mehr ausgeführt werden, sie können nur darauf hoffen, dass die Verkaufsbemühungen der Abwicklungsgesellschaft erfolgreich verlaufen und sie anteilige Ausschüttungen erhalten. Um die angebliche Verfügbarkeit ihres investierten Kapitals ist es mit der Schließung und Aussetzung der Anteilsrücknahme vorbei.
In den Entscheidungen führt der Bundesgerichtshof aus, dass es für regulierte Immobilien-Sondervermögen kennzeichnend sei, dass die Anleger ihre Fondsanteile grundsätzlich jederzeit liquidieren, d. h. zu einem geregelten Rücknahmepreis an die Kapitalanlagegesellschaft zurückgeben können. Die in § 81 Investmentgesetz a.F. geregelte Möglichkeit, die Anteilsrücknahme auszusetzen, stelle dementsprechend ein während der gesamten Investitionsphase bestehendes Liquiditätsrisiko dar, über das der Anleger informiert werden müsse, bevor er seine Anlageentscheidung treffe.
Ob eine Aussetzung der Anteilsrücknahme zum Zeitpunkt der Beratung vorhersehbar oder fernliegend gewesen sei, spiele für die Aufklärungspflicht der Bank keine Rolle. Auf die Frage, ob eine Aussetzung der Anteilsrücknahme den Interessen der Anleger diene, komme es nach Ansicht des Bundesgerichtshofs für die Aufklärungspflicht der Bank auch nicht an. Die vorübergehende Aussetzung der Anteilsrücknahme soll der Gefahr einer wirtschaftlich nicht sinnvollen Verwertung des Fondsvermögens in einer Krisensituation vorbeugen. Da die Aussetzung jedoch dem Liquiditätsinteresse der Anleger entgegenstünde, ist hierüber vor der Anlageentscheidung aufzuklären.
Die beiden Entscheidungen des Bundesgerichtshofs eröffnen sehr vielen betroffenen Anlegern gute Möglichkeiten, ihre etwaigen Schadensersatzansprüche im Zusammenhang mit einer fehlerhaften Beratung beim Erwerb von Anteilen an einem geschlossenen Immobilienfonds erfolgversprechend durchzusetzen.
Die Verjährung etwaiger Ansprüche droht allerdings, so dass betroffene Anleger keine Zeit für die Prüfung ihrer etwaigen Ansprüche verlieren sollten. Durch die dreijährige kenntnisabhängige Verjährungsfrist dürften entsprechende Schadensersatzansprüche spätestens drei Jahre nach Kenntnis der Schließung des Fonds verjähren.