WIDERRUFSRECHT
Grundsätzliche Fehler der Widerrufsbelehrung betreffen sowohl Bankdarlehen als auch den Abschluss fast jedes geschlossenen Fonds.
1. Geschlossene Fonds:
Mit Urteil vom 18.03.2014 (AZ.: II ZR 109/13) hat der Bundesgerichtshof entschieden, dass Fondsanbieter sich dann nicht auf die Schutzwirkung der Musterwiderrufsbelehrung der BGB-InfoV verlassen können, wenn sie diese einer eigenen inhaltlichen Bearbeitung unterziehen. Auch wenn die Musterbelehrung durch Aufnahme von insoweit zutreffenden Zusatzinformationen abgeändert wird entfällt die Schutzwirkung, ein Widerruf ist dann auch noch nach vielen Jahren möglich.
Darüber hinaus beantwortet der BGH erstmals in Frage, ob die Musterbelehrung für geschlossene Fonds möglicherweise grundsätzlich ungeeignet ist. Hintergrund ist der, dass bei Geschlossenen Fonds nach ständiger Rechtsprechung auch bei einem Widerruf lediglich ein Anspruch auf das Auseinandersetzungsguthaben besteht und nicht die Rückzahlung der geleisteten Einzahlungen gefordert werden kann, wie es im Rahmen des Widerrufes von Verbrauchsgüterverträgen ansonsten der Fall ist. Im Bereich der Kapitalanlagen gilt nämlich der Fondsbeitritt als fehlerhaft wirksam erfolgt. Die Widerrufsbelehrung sei daher unter Zugrundelegung der Anwendung der Grundsätze über die fehlerhafte Gesellschaft von vorneherein bereits falsch, denn im Fall des Widerrufs erhält der Anleger nicht seine komplette Einlage erstattet, sondern nur sein Auseinandersetzungsguthaben, welches sogar negativ sein kann. Diese besondere Art der Rückabwicklung hat der BGH bereits mit Urteil vom 02.07.2001 zum Az: II ZR 304/00 zu Gunsten verbleibender Gesellschafter in einem Publikumsfponds festgelegt. Bereits im Jahre 2002 zum Multi Advisor Fonds hat der BGH zum Az: II ZR 88/11 Zweifel an der Richtigkeit der Widerrufsfolgenbelehrung geäußert. Die noch nicht entschiedene Frage ist nunmehr, ob die Prospektverantwortlichen wegen der weiteren Verwendung einer fehlerhaften Widerrufsfolghenbelehrung Regressansprüchen ausgesetzt sind.
Die neue Entscheidung kann weitreichende Folgen im Bereich der geschlossenen Fonds haben, da wohl kein Anbieter derartiger Beteiligungen in der Widerrufsbelehrung auf diese Widerrufsfolge hingewiesen hat.
Konsequenz daraus ist, dass nahezu sämtliche Beteiligungen an Geschlossenen Fonds unter Hinweis auf diese BGH Entscheidung widerrufen werden können. Zu beachten ist, dass dieser Widerruf allerdings auch nicht dazu führt, dass der Anleger sein geleistetes Kapital zurückerhält, sondern eben allenfalls einen Anspruch auf sein Auseinandersetzungsguthaben hat.
Bei einigen Beteiligungen mit noch langjährig bestehenden Ratenzahlungsverpflichtungen bietet die Entscheidung jedenfalls eine Möglichkeit sich vom Vertrag lösen zu können. Zudem ermöglicht der Widerruf auch bei bereits verjährten Schadensersatzansprüchen die Befreiung von den weiteren Zahlungsverpflichtungen. Anleger, die einen Geschlossenen Fonds gezeichnet haben, sollten auf jeden Fall prüfen, ob die Möglichkeit zum frühzeitigen Ausstieg besteht.
2. Darlehen:
Keine Vorfälligkeitsentschädigung bei wirksamen Widerruf!
Wird ein Darlehen mit gebundenem Sollzinssatz vor Ablauf der Zinsbindungsfrist an die Bank zurückgezahlt, hat die Bank nach § 490 Abs. 2 Satz 3 BGB einen Anspruch auf Zahlung einer Vorfälligkeitsentschädigung. Die Bank wird hiermit für den entgangenen Zinsertrag entschädigt, da sie nach Rückzahlung des Darlehens keinen vertraglichen Zinsanspruch mehr hat. Das kann insbesondere bei endfälligen Darlehen zu erheblichen Belastungen des Darlehensnehmers führen.
Eine Vorfälligkeitsentschädigung ist jedoch bei Verbraucherdarlehensverträgen nicht zu zahlen, wenn der Darlehensnehmer sein gesetzliches Widerrufsrecht nach § 495 BGB fristgemäß ausübt. Ein Verbraucherdarlehensvertrag liegt vor, wenn der Darlehensnehmer den Vertrag zu einem privaten Zweck schließt. Auch private Immobilienfinanzierungen, Leasingverträge und Teilzahlungsgeschäfte (z.B. Abzahlungskauf) fallen darunter. Kein Widerrufsrecht besteht grundsätzlich bei Überziehungskrediten und bei Umschuldungskrediten, wenn der Gesamtbetrag niedriger ist als die Restschuld aus dem ursprünglichen Darlehensvertrag.
Das gesetzliche Widerrufsrecht räumt dem Darlehensnehmer eine Überlegungsfrist ein. Die Widerrufsfrist beträgt 14 Tage. Sie beginnt erst, wenn die Bank im Vertrag ihre gesetzlichen Pflichtangaben erfüllt hat und der Vertrag durch Angebot und Annahmeerklärung geschlossen ist. Im Darlehensvertrag müssen Hinweise zum Widerrufsrecht, zur Widerrufsfrist, zum Widerrufsempfänger, zur Form des Widerrufs und zur Entbehrlichkeit einer Begründung enthalten sein. Weiterhin sind Hinweise zur Rückabwicklung des Vertrages und Verzinsung des Darlehens unter Angabe des täglichen Zinsbetrages zu erteilen. Die Widerrufsfrist beginnt daher nicht, wenn einzelne Pflichtangaben fehlen oder unklar formuliert sind.
Bei fast allen älteren Darlehensverträgen, die zwischen dem 01.11.2002 und 10.06.2010 geschlossen wurden, kann der Verbraucher sein Widerrufsrecht häufig noch heute ausüben. Denn die Widerrufsfrist begann nach § 355 Abs. 2 BGB a.F. mit Erteilung einer ordnungsgemäßen Widerrufsbelehrung. Viele Belehrungstexte der Banken enthielten jedoch Mängel, so dass die Widerrufsfrist auch heute noch nicht abgelaufen ist, wenn die Bank keine ordnungsgemäße Belehrung nachgeholt hat. Folgende Belehrungsbeispiele zum Fristbeginn waren nach der Rechtsprechung des BGH mangelhaft:
„Die Frist beginnt frühestens mit Erhalt dieser Belehrung.“
„Die Frist beginnt einen Tag, nachdem diese Belehrung mitgeteilt wurde und eine Vertragsurkunde, der schriftliche Darlehensantrag oder eine Abschrift der Vertragsurkunde oder des Darlehensantrags zur Verfügung gestellt wurde.“
„Die Frist beginnt an dem Tag, welcher der Mitteilung dieser Belehrung und der Bereitstellung einer Vertragsurkunde, des schriftlichen Antrags oder einer Abschrift der Vertragsurkunde oder des Antrags folgt.“
„Der Lauf der Frist beginnt erst, wenn Ihnen diese Belehrung ausgehändigt worden ist, jedoch nicht, bevor uns die von Ihnen unterschriebene Ausfertigung des Darlehensvertrages zugegangen ist.“
„Der Lauf der Frist beginnt mit Aushändigung dieser Vertragsurkunde, nicht jedoch, bevor die auf Abschluss des Vertrags gerichtete Willenserklärung vom Auftraggeber abgegeben wurde.“
Häufig wurde der Verbraucher in Widerrufsbelehrungen nur auf seine Pflichten nach erfolgtem Widerruf hingewiesen, nicht jedoch über seine Rechte informiert. Dies war nach der Rechtsprechung des BGH ungenügend und konnte die Widerrufsfrist nicht in Gang setzen. Gleiches gilt für den fehlenden Hinweis, dass die Widerrufsfrist bei Verbraucherdarlehensverträgen nach § 355 Abs. 2 Satz 3 BGB a.F. nicht begann, bevor dem Verbraucher eine Vertragsurkunde oder sein schriftlicher Vertragsantrag im Original oder in Abschrift zur Verfügung gestellt wurden. Dies gilt nach § 355 Abs. 3 Satz 2 BGB auch bei Neuverträgen.
Wurde dem Verbraucher keine Urkunde zur Verfügung gestellt, die seine Vertragserklärung wiedergibt, kann das Widerrufsrecht ebenfalls noch ausgeübt werden. Das Widerrufsrecht erlischt nicht, unterliegt als Gestaltungsrecht keiner Verjährung und kann auch nicht verwirkt werden. Denn eine Bank kann nicht darauf vertrauen, dass der Verbraucher sein Widerrufsrecht nicht mehr ausüben wird, solange dieser nicht ordnungsgemäß über sein Widerrufsrecht belehrt wurde. Das Widerrufsrecht ist auch zwingend und unverzichtbar.
Erklärt der Darlehensnehmer fristgemäß den Widerruf seiner Vertragserklärung, wandelt sich der Darlehensvertrag in ein gesetzliches Rückabwicklungsverhältnis um. Da die vertraglichen Leistungspflichten erlöschen, ist der Darlehensnehmer nicht mehr verpflichtet, den vertraglichen Zins bis zum Ende der Zinsbindungsfrist zu zahlen. Damit hat die Bank auch keinen Anspruch auf eine Vorfälligkeitsentschädigung. Auch bereits vorher entstandene Schadensersatzansprüche der Bank wegen vertraglicher Pflichtverletzungen entfallen.
Beide Parteien haben nach § 346 BGB die jeweils empfangenen Leistungen einander zurückzugeben. Der Bank ist der noch offene Darlehensbetrag einschließlich marktüblicher Verzinsung für die Zeit der Darlehensnutzung zurückzuzahlen. Dem Darlehensnehmer sind seitens der Bank sämtliche Zahlungen und die Sicherheiten herauszugeben. Daneben muss die Bank dem Darlehensnehmer die aus jeder Ratenzahlung gezogenen Nutzungen vergüten. Bei Banken wird nach der Rechtsprechung vermutet, dass sie Nutzungen in Höhe des gesetzlichen Verzugszinses i.H.v. 5 %-Punkten über dem Basiszinssatz gezogen haben (nach diesseitiger Ansicht eher in Höhe von 4 % gem. § 246 BGB). Hieraus ergeben sich häufig erhebliche Gegenforderungen des Darlehensnehmers. Die gegenseitigen Rückgewähransprüche sind nach § 348 BGB Zug um Zug zu erfüllen. Der Darlehensnehmer kann die Rückzahlung bis zur Erfüllung seiner Gegenansprüche verweigern.
Wurde mit dem Darlehen ein Kaufgegenstand oder eine andere Leistung finanziert und bilden beide Verträge verbundene Geschäfte, ist auch der finanzierte Vertrag rückabzuwickeln. Verbundene Geschäfte liegen nach § 358 Abs. 3 Satz 2 BGB vor, wenn der Darlehensvertrag der Finanzierung des anderen Vertrags dient und die Bank mit dem Verkäufer bei der Vorbereitung oder dem Abschluss des Darlehensvertrages zusammenwirkt. Typische Fälle bilden Haustürgeschäfte, bei denen ein Vermittler dem Kunden zugleich ein Kaufvertrags- und ein Darlehensvertragsformular vorlegt. Dies gilt auch beim Vertrieb von gesellschaftlichen Fondsanteilen. Der Darlehensnehmer muss in diesen Fällen das Darlehen an die Bank nicht zurückzahlen, sondern ihr nur den erworbenen Gegenstand übertragen.
Angesichts des gefallenen Zinsniveaus kann sich ein Widerruf durchaus lohnen. Eine anwaltliche Überprüfung der Widerruflichkeit von älteren Darlehensverträgen ist infolge der Komplexität des Rechtsgebiets in jedem Fall notwendig. Die Rückabwicklung und Umfinanzierung älterer Darlehensverträge kann für den Verbraucher erheblich günstiger sein, als die Fortführung der Darlehensverträge.