BGH II ZR 148/11 (U. v. 22. Mai 2012): Wenn ein Unternehmer einem Verbraucher ein Widerrufsrecht einräumt, ohne dazu gesetzlich verpflichtet zu sein, so ist die Widerrufsfrist nicht ohne Weiteres von der Einhaltung der gesetzlichen Belehrung abhängig. Vielmehr bedarf es konkreter Anhaltspunkte in der getroffenen Vereinbarung dafür, dass zwar das Widerrufsrecht als solches von den gesetzlichen Voraussetzungen (z.B. einer Haustürsituation) unabhängig sein soll, gleichwohl die für die Ausübung des Widerrufsrechts vereinbarte Frist aber nur dann in Gang gesetzt werden soll, wenn der Unternehmer dem Anleger zusätzlich eine Belehrung erteilt hat, die den Anforderungen für ein gesetzliches Widerrufsrecht entspricht, vgl. ebenda, Rn. 16.
Nach herrschender Auffassung kann ein Widerrufsrecht nicht nur von Gesetzes wegen bestehen, sondern grundsätzlich auch im Vereinbarungswege festgelegt werden. Danach können Vertragspartner – als Ausprägung der Vertragsfreiheit – ein Widerrufsrecht vertraglich vereinbaren und für die nähere Ausgestaltung sowie die Rechtsfolgen auf die §§ 355, 357 BGB verweisen; BGH II ZR 148/11 (U. v. 22. Mai 2012), Rn. 10. Die Fälle des gesetzlichen Widerrufsrechts, die eine Durchbrechung des Grundsatzes „pacta sunt servanda“ darstellen, sind enumerativ und abschließend geregelt (§ 355 Abs. 1 Satz 1 BGB) und knüpfen an bestimmte gesetzliche Merkmale an (siehe insoweit auch BGH, Urteile v. 6. Dezember 2011 – XI ZR 401/10, ZIP 2012, 262 Rn. 17 und XI ZR 442/10, Rdnr 24.).
Wird einem Vertragspartner vertraglich ein Widerrufsrecht eingeräumt, das ihm nach dem Gesetz nicht zusteht, z.B. weil der Vertragsschluss außerhalb einer „Haustürsituation“ erfolgt und es daher an der vom Gesetz typisierten Situation eines strukturellen Ungleichgewichts fehlt, kann nicht ohne weiteres davon ausgegangen werden, dass sich die Vertragspartner gleichwohl in einer solchen Situation begegnen. Sie sind vielmehr grundsätzlich als vom Gesetz gleichgewichtig eingeschätzte Vertragspartner anzusehen. Dann bestimmt sich der Inhalt des Widerrufsrechts aber auch ausschließlich durch Auslegung ihrer vertraglichen Vereinbarung; BGH II ZR 148/11 (U. v. 22. Mai 2012), Rn. 15.