Haftung Anbieter / Emittent
Für Anbieter und Emittenten kommt sowohl eine Haftung wegen spezialgesetzlicher aber auch wegen bürgerlich rechtlicher Prospekthaftung in Betracht.
Adressat der Prospekthaftung ist, wer für den Prospekt die Verantwortung übernommen hat (Anbieter) und derjenige, von dem der Erlass des Prospektes ausgeht (Emittent). Die Verantwortung für den Prospekt haben diejenigen Personen übernommen, die ihn unterzeichnen. Dies ist grundsätzlich der Anbieter. Emittent und Anbieter haften grundsätzlich als Gesamtschuldner. Auf Grundlage der durch die Rechtsprechung entwickelten sogenannten fehlerhaft wirksamen Gesellsachaft wird es jedoch selten sinnvoll sein, den Anbieter und daher die Fondsgesellschaft selbst in die Haftung zu nehmen.
Der Prospekt geht ausserdem von den Personen oder Gesellschaften aus, die seine tatsächlichen Urheber sind und die ein eigenes wirtschaftliches Interesse an der Investition haben, aber im Hintergrund die Fäden ziehen. Mit Einbeziehung dieser „Hintermänner“ sollen letztlich Haftungslücken geschlossen werden. Bei unseriösen Kapitalanlagen muss der Anleger die Angehörigen dieser Personengruppe allerdings nicht selten selbst ermitteln.
Eine Haftung des Anbieters oder Emittenten einer Vermögensanlage ist grundsätzlich auch unter dem Gesichtspunkt der bürgerlich rechtlichen echten Prospekthaftung als Herausgeberin des Prospekts gegeben. Generell gilt, dass die meisten Produkte nicht ohne Prospekt verkauft werden dürfen. Die Prospektpflicht ist ab dem 1. Juli 2005 gesetzlich für alle Arten von Vermögensanlagen mit wenigen Ausnahmetatbeständen geregelt. Mit Inkrafttreten des Anlegerschutzverbesserungsgesetzes wurde das Verkaufsprospektgesetz (VerkProsG) seit 01.06.2012 Vermögensanlagengesetz (VermAnlG), das bisher nur für nichtbörsliche Wertpapiere galt, auch für den grauen Kapitalmarkt anwendbar. Dennoch bleiben die Grundsätze der bürgerlich rechtlichen Vertrauenshaftung bestehen.
Es gibt zwei gesetzliche Haftungstatbestände:
a) Wesentliche Grundlage einer Haftung ist bis 30.05.2012 nach § 13 VerkProspG a.F./nun ab 01.06.2012 § 20 VermAnlG n.F., der fehlerhafte Prospekt. Dies ist dann der Fall, wenn für die Beurteilung der Vermögensanlagen wesentliche Angaben unrichtig oder unvollständig sind. Der Prospekt muß alle erforderlichen tatsächlichen und rechtlichen Angaben enthalten, um dem Publikum eine zutreffende Beurteilung des Emittenten und der Vermögensanlagen zu eröffnen. Diese Vorschrift beinhaltet den materiell-rechtlichen Maßstab für die Richtigkeit und Vollständigkeit des Prospekts. Dass der Prospekt die Prüfung durch die BaFin erfolgreich durchlaufen hat, besagt nichts über die Richtigkeit und Vollständigkeit des Prospekts, weil die BaFin nur das Vorliegen der formellen Mindestvoraussetzungen prüft.
Die Inhaltskontrolle findet nur anhand der vorerwähnten Vorschrift statt. Aufgrund der allgemein gehaltenen gesetzlichen Regelungen orientiert sich ihre Auslegung nach den richterrechtlich herausgebildeten Grundsätzen zur allgemeinen bürgerlich rechtlichen Prospekthaftung.
Die Unrichtigkeit des Prospektes kann sich beispielsweise ergeben aus:
unrichtigen Angaben, die sich auf erhebliche Umstände beziehen (z.B. wertbildende Faktoren der Anlage, Werturteile und Prognosen müssen kaufmännisch vertretbar sein, Anpreisungen dürfen nicht Tatsachen verfälsch und zu einem falschen Werturteil verleiten).
unvollständig ist ein Prospekt, wenn Tatsachen, Prognosen oder Werturteile fehlen und damit der Gesamteindruck unrichtig wird. Schon eine fehlerhafte Risikobelehrung stellt daher einen Prospektfehler dar.
Wesentlich ist, dass eine Prospekthaftung für 3 Jahre ab Kenntnis aller anspruchsbegründender Tatsachen, maximal jedoch für 10 Jahre ab Zeichnung der Kapitalanlage besteht.
b) Ein zweiter Haftungsgrund ist gemäß § 13a VerkProsG a.F./§ 21 VermAnlG n.F. der fehlende Prospekt. Es ist insoweit ein Trugschluss, dass keine Prospekthaftung greife, wenn kein Prospekt erstellt wurde. Im Gegenteil, es wird noch schlimmer, denn der Anbieter/Emittent und Initiator tragen die Beweislast für eine vollständige und richtige Information und haben ohne Prospekt somit erhebliche Beweislastprobleme. Voraussetzung ist hier, dass der Anlagenerwerb vor Veröffentlichung eines Prospekts und innerhalb von nunmehr 2. Jahren nach dem ersten öffentlichen Angebot im Inland stattgefunden hat. Auch hier verlängert sich die bürgerlich rechtliche Vertrauenshaftung auf 3. Jahre ab Kenntnis aller anspruchsbegründenden Umstände.
Ist der Verkaufsprospekt unrichtig, unvollständig oder nicht vorhanden, so kann der Anleger Schadensersatzanspruch nur geltend machen, wenn dieser durch die haftungsbegründende und die haftungsausfüllende Kausalität herbeigeführt wurde. Dies bedeutet, dass ein Ursachenzusammenhang zwischen der Unrichtigkeit des Prospekts, der konkreten Anlageentscheidung und dem eingetretenen Schaden bestehen muss. Bereits § 45 II Nr.1 BörsG a.F. stellte eine Vermutung für den Ursachenzusammenhang zwischen dem Prospektfehler und der Anlageentscheidung (haftungsbegründende Kausalität) auf. Es genügt die Behauptung des Anlegers, er hätte bei Kenntnis des zutreffenden Sachverhaltes den Erwerb der Anlage nicht vorgenommen.
Der Anspruchsgegner muss daher darlegen und beweisen, dass der Anleger die Investitionsentscheidung auch bei voller Kenntnis des Sachverhaltes getätigt hätte, was ihm praktisch nie gelingen wird. In gleicher Weise besteht eine gesetzliche Vermutung gemäß § 45 II Nr.2 BörsG a.F. für den Ursachenzusammenhang zwischen dem Prospektfehler und dem letztlich für den Anleger eingetretenen Schaden (haftungsausfüllende Kausalität). Wird sie nicht widerlegt, so besteht ein Prospekthaftungsanspruch auch dann, wenn zwar ein unrichtiger Prospekt ausgehändigt wurde, der Wertverlust der Kapitalanlage aber nicht auf dieser Unrichtigkeit beruht. Der Anspruchsgegner kann aber den Nachweis der fehlenden Kausalität antreten.