VERSICHERUNGSRECHT
Wesentliche Probleme bestehen bei der Durchsetzung von berechtigten Forderungen gegenüber Versicherungen.
Wer in den ersten Jahren eine kapitalbildende Versicherung gekündigt hat, bekommt oft nur einen geringen oder gar keinen Rückkaufswert. Grund dafür ist die so genannte „Zillmerung“. Hierbei werden die Abschlusskosten mit den ersten Beiträgen der Versicherungsnehmer verrechnet. Zudem wird auch noch eine Stornogebühr abgezogen. Der Bund der Versicherten (BdV) hat dagegen geklagt. Bereits am 9. Mai 2001 entschied der BGH über zwei Verbandsklagen des BdV (Az. IV ZR 121/00 u. IV ZR 138/99) und stellte fest, dass verschiedene Bedingungen zu Lebensversicherungen für Versicherungsnehmer undurchschaubar sind. Die Klauseln zum Rückkaufswert und zu den Abschluss- und Stornokosten waren somit unwirksam.
Die Versicherungsunternehmen waren bestrebt, den entstandenen Schaden so schnell wie möglich zu beheben. Sie ersetzten die unwirksamen Bedingungen mit Hilfe eines von ihnen bezahlten Treuhänders ihres Vertrauens ohne Mitwirkungsmöglichkeiten des Versicherungsnehmers. Der hiergegen gerichteten Klage hat der BGH hat am 12. Oktober 2005 Urteile größtenteils stattgegeben.
Zwar hat der BGH eine Klauselersetzung für Bedingungen bei Kapitallebensversicherungen / Rentenversicherungen grundsätzlich für zulässig erachtet, also das „Ob“ einer Klauselersetzung bejaht. Aber er hat entschieden: Die konkrete inhaltliche Umsetzung ist fehlerhaft erfolgt! Der BGH hat deshalb selbst einen Interessenausgleich zu Gunsten der Versicherungsnehmer vorgenommen und ist zu folgendem Ergebnis gekommen: Bei vorzeitiger Beendigung der Beitragszahlung steht den Kunden eine Mindestzahlung zu. Die beitragsfreie Summe und der Rückkaufswert dürfen einen Mindestbetrag nicht unterschreiten. Dieser Mindestbetrag muss mindestens der Hälfte des ungezillmerten Deckungskapitals entsprechen. „Ungezillmert“ bedeutet, dass die Beiträge der ersten Vertragsjahre nicht vollständig mit den gesamten Abschlusskosten verrechnet werden dürfen.
Der Bundesgerichtshof hat am 26. September 2007 (Az. IV ZR 321/05) entschieden, dass auch eine fondsgebundene Rentenversicherung von der BGH-Rechtsprechung vom 12. Oktober 2005 betroffen ist. Auch Versicherungsnehmer von fondsgebundenen Renten- oder Lebensversicherungen sollten sich daher an ihr Versicherungsunternehmen wenden.
Am 20. November 2009 sind weitere verbraucherfreundliche Urteile ergangen: Das Landgericht Hamburg hat gegenüber drei Lebensversicherern erklärt, dass deren Versicherungsbedingungen zur Kündigung und zur Beitragsfreistellung bei Kapitalversicherungen zum Teil intransparent und damit unwirksam sind (Az. 324 O 1116/07, 324 O 1136/07 und 324 O 1153/07). Diese Rechtsprechung wurde am 27. Juli 2010 vom Hanseatischen Oberlandesgericht bestätigt (Az. 9 U 233/09, 235/09, 236/09 und 9 U 20/10). Auch das Oberlandesgericht Stuttgart hat in diesem Zusammenhang ein verbraucherfreundliches Urteil gegen einen Versicherer gefällt (Az. 2 U 138/10). Diese Rechtsprechung bezieht sich auf Verträge, die ab Mitte 2001 abgeschlossen wurden. Betroffene Versicherungsnehmer können ebenfalls Nachzahlungen/Gutschriften fordern.
Am 25. Juli 2012 hat nun der Bundesgerichtshof über ein Verfahren (Az. IV ZR 201/10) gegen den Deutschen Ring Lebensversicherung AG rechtskräftig entschieden und die Vorinstanzen bestätigt. Damit steht nun fest, dass auch hier Klauseln zur Kündigung und zur Beitragsfreistellung bei Kapitalversicherungen zum Teil intransparent und damit unwirksam sind.
Wesentliche Forderungen ergeben sich aus fremdfinanzierten Lebens- und Rentenversicherungen, insbesondere Hebelmodellen der Clerical Medical Investment Group Ltd. und Generali Lebensversicherung AG. Es wurden bis voraussichtlich 2004 sogenannte fremdfinanzierte Rentenmodelle aufgelegt. Unter Kreditaufnahme durch den Anleger bei unterschiedlichen Banken, vor allem auch Landesbanken wie der Bayerischen Landesbank, Helaba und HSH Nordbank, wurden teils sehr hohe Darlehen aufgenommen, die als Einmalzahlung in eine Lebensversicherung oder Rentenversicherung flossen.
Bekannte Produkte sind beispielsweise EuroPlan, Lex-Konzept-Rente, Schnee-Rente = Sicherheits-Konzept-Rente SKR, Bausteinrente, Systemrente, PlusRente. In der Vielzahl der Fälle trat die Clerical Medical Investment Group Limited (CMI) als Lebensversicherer auf. Dabei erwarben die Kunden Wealthmaster Noble Policenoder eine Wealthmaster Classic Police mit ratierlicher meist monatlicher Einzahlung.
Im März 2012 wurde eine erste oberlandesgerichtliche Entscheidung gegen Clerical Medical auf komplette Rückgängigmachung des entstandenen Schadens bei dem Modell Lex-Konzept-Rente erstritten (OLG Karlsruhe). In dem Verfahren zum Az: IV ZR 151/11 verurteilte der BGH die Clerical Medical voll umfänglich zu Schadensersatz, weil die Versicherungsbedingungen dieses Unternehmens intransparenz und daher unwirksam seien und in diesem Verfahren ein dalehensfinanziertes Hebelmodell von vornherein nicht aufgehen konnte.
Derzeit ist die Entwicklung der Rechtsprechung zum sogenannten Policenmodell nach § 5a VVG a.F. überaus spannend, wobei dies insbesondere Fälle bis Ende 2008 betrifft, die aber noch nicht verjährt sind. Künftig wird es ggf. darauf ankommen, ob der Versicherungsnehmer alle Verbraucherinformationen zum Versicherungsvertrag erhalten hat oder nicht. Der BGH wird in Sachen Az: IV ZR 73/13 am 16. Juli 2014 zu diesem Modell erneut entscheiden. Der klagende Versicherungsnehmer begehrt Rückzahlung geleisteter Versicherungsbeiträge aus einer fondsgebundenen Lebensversicherung nach einem Widerspruch gemäß § 5a Abs. 1 Satz 1 VVG a.F. Der Kläger erhielt mit Übersendung des Versicherungsscheins die Allgemeinen Versicherungsbedingungen und die Verbraucherinformation und wurde daher ausreichend über sein Widerspruchsrecht belehrt. Dieser vertritt die Rechtsansicht, der Vertrag sei nicht wirksam zustande gekommen. Die Regelung des Policenmodell in § 5a VVG a.F. verstoße gegen Vorgaben der Zweiten und Dritten EU-Richtlinie Lebensversicherung.
Der für das Versicherungsvertragsrecht zuständige IV. Zivilsenat wird sich mit dieser Problematik zu befassen und auch zu prüfen haben, ob sich ein Versicherungsnehmer, der mit Überlassung der Versicherungspolice die Versicherungsbedingungen sowie die Verbraucherinformation erhielt und ordnungsgemäß über sein Widerspruchsrecht belehrt wurde, nach Durchführung des Vertrages auf eine etwaige Europarechtswidrigkeit des Policenmodells berufen kann. Diese Fragen konnten in dem Urteil des IV. Zivilsenats vom 7. Mai 2014 (IV ZR 76/11, WM 2014, 1030; Pressemitteilung Nr. 078/2014) offen bleiben, weil in diesem Fall die Widerspruchsfrist schon mangels ordnungsgemäßer Belehrung nicht in Gang gesetzt worden war.
Gegebenenfalls können wir eine Zusammenarbeit mit einem Prozssfinanzierer anbieten und die verbleibenden Rechtsfragen gerichtlich klären zu lassen.