BGH Urteile vom 1. März 2011 • Az. II ZR 93/09 und II ZR 298/08
Der Bundesgerichtshof hat am 01.03.2011 ein Widerrufsrecht für Mitglieder von Genossenschaften bejaht, wenn der Beitritt zur Genossenschaft vorrangig der Kapitalanlage diente. Der BGH setzt die Beteiligung an einer als Kapitalanlage dienenden Genossenschaftsbeteiligung mit sonstigen Fondsbeteiligungen und Kapitalanlagen gleich.
Der BGH hat bereits in einer vorhergehenden Entscheidung unter Heranziehung des Umgehungsgedankens ein Widerrufsrecht des beigetretenen Genossen angenommen (BGH, Urteil vom 20. Januar 1997 – II ZR 105/96, ZIP 1997, 511, 512). In seiner späteren Rechtsprechung (BGH, Urteil vom 14. Juni 2004 – II ZR 395/01, BGHZ 159, 280, 289; Urteil vom 14. Juni 2004 – II ZR 392/01, WM 2004, 1518, 1519) hat der BGH zwischen dem Beitritt zu einer Genossenschaft und dem Beitritt zu einer Anlagegesellschaft in Form der Personengesellschaft unterschieden. Dies hat für viele Genossenschaften die Hoffnung geweckt, auch ohne Belehrung zum gesetzlichen Widerrufsrecht Kapitalanleger einwerben zu können. Eine Vielzahl unseriöser Vertriebe haben zudem Genossenschaftsbeteiligungen aufgelegt, um die BaFIN Gestattung umgehen zu können.
Dabei hatte er jedoch ersichtlich keine „Anlagegenossenschaft“ vor Augen, der ein Verbraucher zu reinen Kapitalanlage- und/oder Steuersparzwecken beitritt, sondern eine Genossenschaft nach dem gesetzlichen Leitbild, bei der der Beitritt in erster Linie dem Erwerb der Mitgliedschaft als solcher und der damit verbundenen Rechte und Pflichten dient. Sofern dieser Rechtsprechung etwas anderes entnommen werden konnte, hat der BGH daran jedenfalls nicht festgehalten.
Der BGH hat vielmehr in seinem Vorlagebeschluss an den Gerichtshof der Europäischen Union zur Klärung der Frage, ob Art. 1 Abs. 1 Satz 1 der Richtlinie 85/877/EWG des Rates vom 20. Dezember 1985 betreffend den Verbraucherschutz im Falle von außerhalb von Geschäftsräumen geschlossenen Verträgen auch den Beitritt zu einer Gesellschaft umfasst, wenn der Zweck des Beitritts vorrangig nicht darin besteht, deren Mitglied zu werden, sondern die mitgliedschaftliche Beteiligung nur ein anderer Weg der Kapitalanlage ist, Genossenschaften – wie auch Vereine – anderen Anlagegesellschaften gleichgestellt (BGH, Beschluss vom 5. Mai 2008 – II ZR 292/06, ZIP 2008, 1018 Rn. 22).
Im Übrigen hat der BGH die Vorschriften über verbundene Geschäfte gem. § 358 BGB für anwendbar erklärt.
Folge dieser Rechtsprechung ist, dass nunmehr bei Beteiligungen an Anlagegenossenschaften ein Widerrufsrecht besteht und ausserdem ein Anspruch auf Rückabwicklung aufgenommener Darlehen geltend gemacht werden kann. Selbst im Falle einer Insolvenz der Genossenschaft kann der Anleger so seinen Schaden begrenzen. Dies bezieht sich beispielsweise auf die DJG Deutsche Investitions Genossenschaft e.G..
Diese Rechtsprechung betrifft in erster Linie Immobiliengenossenschaften und Energiegenossenschaften, die Photovoltaikanlagen, Windkraftanlagen, Biogasanlagen oder Biomassekraftwerke durch Genossenschaftsbeteiligungen finanzieren.
Sollten Sie sich an einem solchen Projekt über Genossenschaftsanteile beteiligt haben, so stehen wir als Fondsanwalt.de gerne als Berater zur Verfügung melden Sie sich bitte unter:
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