BGH II ZR 1/11 (U. v. 22. Mai 2012): Der BGH hat entschieden, dass eine Widerrufsbelehrung fehlerhaft ist, welche nicht darauf hinweist, wie sich der Widerruf auf die (etwaigen) Rechte des Verbrauchers auswirkt bzw. nicht den Anforderungen des Gesetzes genügt. Demgemäß wird bei einem Haustürgeschäft durch eine Widerrufsbelehrung, die nur auf die aus der Erklärung des Widerrufs folgenden Pflichten nicht jedoch die Rechte des Verbrauchers hinweist, die Frist zur Erklärung des Widerrufs nicht in Gang gesetzt; vgl. § 355 Abs. 2 S. 2 BGB. Der Verbraucher kann dann – wie auch in anderen Fällen fehlerhafter Widerrufsbelehrungen – sich jederzeit von seiner Vertragserklärung nachträglich lösen.
Im zugrunde liegenden Fall hatte sich ein Anleger an einem geschlossenen Fonds beteiligt und fällige Zahlungen bereits vor Ablauf der Widerrufsfrist an die Fondsgesellschaft geleistet. Die Vorschriften über das Widerrufsrecht (§§ 312 ff, 355, 360 BGB) finden auf Verträge über den Beitritt zu einer Kapitalanlagegesellschaft nach der vom Gerichtshof der Europäischen Union bestätigten (Urteil vom 15. April 2010 – C 215/08, ZIP 2010, 772) ständigen Rechtsprechung des BGH Anwendung; vgl. nur BGH II ZR 1/11, U. v. 22. Mai 2012, Rn. 13; BGH II ZR 202/06. Der Schutz des Verbrauchers erfordert nach der ständigen Rechtsprechung des BGH eine möglichst umfassende, unmissverständliche und aus dem Verständnis der Verbraucher eindeutige Belehrung, vgl. BGH II ZR 1/11, U. v. 22. Mai 2012, Rn. 19; BGH I 55/00, U. v. 4. Juli 2002; BGH VII ZR 122/06, U. v. 12. April 2007; siehe nunmehr § 360 Abs. 1 BGB). Die Widerrufsbelehrung hat dem Verbraucher die ihm durch den Widerruf eröffneten wesentlichen Rechte und Pflichten bewusst zu machen; in ihr sind die tatsächlichen materiellen Rechtsfolgen der Erklärung des Widerrufs abzubilden; vgl. BGH II ZR 1/11, U. v. 22. Mai 2012, Rn. 19; (vgl. BGH VII ZR 122/06, U. v. 12. April 2007; BGH VIII ZR 103/11, U. v. 2. Februar 2011.
Nach ständiger Rechtsprechung des BGH führt der Widerruf der Beitrittserklärung zur Anwendung der Grundsätze über die fehlerhafte Gesellschaft und zur Ermittlung des Wertes des Gesellschaftsanteils des fehlerhaft beigetretenen Gesellschafters im Zeitpunkt seines Ausscheidens; vgl. BGH II ZR 1/11, U. v. 22. Mai 2012, Rn. 22; BGH II ZR 304/00, U. v. 2. Juli 2001; BGH II ZR 492/06, U. v. 12. Juli 2010; BGH II ZR 285/09, U. v. 17. Mai 2011. Der betreffende Gesellschafter bzw. Anleger scheidet mit Zugang des Widerrufs bei der Gesellschaft mit Wirkung „ex nunc“ aus dieser aus, und dies u.a. mit den Folgen, dass rückständige, noch nicht erbrachte (Einlage-) Leistungen an die Gesellschaft geleistet werden müssen und dass der Wert des Auseinandersetzungsguthabens ermittelt werden muss. In diese Auseinandersetzungsberechnung werden die gegenseitigen Ansprüche (des Gesellschafters bzw. der Gesellschaft) als unselbständige Rechnungsposten eingestellt zum Stichtag des Ausscheidens, weshalb die gegenseitigen Ansprüche auch einer Durchsetzungssperre unterliegen; vgl. BGH II ZR 1/11, U. v. 22. Mai 2012, Rn. 22; BGH II ZR 6/99, U. v. 15. Mai 2000; BGH II ZR 304/00, U. v. 2. Juli 2001; BGH II ZR 492/06, U. v. 12. Juli 2010 – II ZR 492/06; BGH II ZR 285/09, U. v. 17. Mai 2011.
Achtung!: Entscheidend für den Gesellschafter bzw. Anleger ist dabei, dass er seine bis zum Zeitpunkt des Ausscheidens geleisteten Einlagen nicht zurück erhält, sondern nach der Rechtsprechung zur fehlerhaft aber wirksamen Gesellschaft nur die Auszahlung eines etwaigen Auseinandersetzungsguthabens. Es findet also keine Rückabwicklung statt. Aus Sicht des BGH dürfte wohl nun der Verbraucherschutz für die Ordnungsgemäßheit einer Widerrufsbelehrung gegenüber einem Verbraucher als Kapitalanleger erfordern, dass die Belehrung einen Hinweis darauf enthält, dass der Verbraucher nicht seine Einlagen zurück erhält, die er vor Ablauf der Widerrufsfrist geleistet hat.
Noch nicht abschließend entschieden ist, wann und unter welchen Voraussetzungen bei fehlerhaften Widerrufsbelehrungen eine Pflichtverletzung anerkannt wird, die zu Schadenswersatzforderungen hinsichtlich des Differenzbetrages zwischen geleisteter Einlage und Auseinandersetzungsguthaben führt.
Nach dem bisherigen Stand der BGH Rechtsprechung ist festzustellen, dass die Anforderung an eine a) ordentliche Widerrufsbelehrung faktisch b) nur für den Fall zu beachten ist, dass der Anleger bzw. Gesellschafter während der Widerrufsfrist Einlagen leistet und damit die Gesellschaft tatsächlich in Vollzug setzt. Denn leistet der Anleger bzw. Gesellschafter erst nach Ablauf der Frist einer (fehlerfreien) Widerrufsbelehrung, so kann er nicht widerrufen und muss insoweit ohnehin leisten und sich später bei Beendigung der Gesellschaft auf sein Auseinandersetzungsguthaben verweisen lassen, ohne dass dies etwas mit seinen durch die Widerrufsbelehrung berührten Rechten zu tun hätte. Und ist ferner die Widerrufsbelehrung aus anderen Gründen fehlerhaft, so kann der Anleger sowieso unbegrenzt jederzeit widerrufen, ohne dass es auch eine in diesem Punkt ordnungsgemäße Belehrung noch ankäme.
Wir empfehlen Anbietern immer, dass das gesetzliche Muster für die Widerrufsbelehrung verwendet wird. Denn dann genügt sie den Anforderungen des Gesetzes bzw. der Anbieter kan sich auf die Gesetzlichkeitsfikzion berufen, wie sich aus § 360 Abs. 3. S. 1 BGB ergibt.